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Von der Selbstmanipulation und kurzem Glück

Wenn wir Menschen eines ganz wunderbar können, dann ist es die Selbstmanipulation.

Wir machen das nicht absichtlich - versteht mich nicht falsch! Aber wir machen es eben doch, und zwar alle, und ich möchte mal behaupten, wir machen das auch jeden Tag. Das kann von positiver Manipulation als unschlagbarer Motivator im Berufsleben, über den inneren Coach beim Training bis hin zu wirklich belastenden, zerstörerischen Zweifeln reichen. Die positiv motivierende Variante bringt uns weiter, macht uns stark und lässt uns das ein oder andere Mal weit über uns hinauswachsen.


Am Ende einer erfolgreichen positiven Selbstmanipulation tanzen wir zufrieden im sommerwarmen Dopaminregen durch unseren Tag.


Die Schattenseite unserer Selbstmanipulation, die leise Stimme, die jedes noch so kleine Glück hinterfragt und anzweifelt, mit der möchte ich mich hier heute etwas näher befassen. Nicht, weil ich dem Guten hier keinen Platz einräumen möchte - sondern weil es uns mit den positiven Dingen in der Regel besser geht. Wir müssen den Weg zum Glück nicht immer verstehen, beim Erreichen des Ziels hat das oft gar keine Bedeutung mehr. Am Ende einer erfolgreichen positiven Selbstmanipulation tanzen wir zufrieden im sommerwarmen Dopaminregen durch unseren Tag.


Am Ende einer negativen Selbstmanipulation stehen wir in der Regel jedoch mit einem löchrigen Schirm mitten im emotionalen Tiefdruckgebiet. Hilflos, ernüchtert und niedergeschlagen, wird dann all zu oft ein voreiliger Schluss aus unserem bunten Potpourri der Selbstzweifel gezogen.


Und Du wühlst nach dem Wenn und dem Aber, damit Du allen sagen kannst, dass es klar war. Madeline Juno & Max Giesinger - Nur kurz glücklich

Entgegen der - zugegeben eher oberflächlichen - Idee, dass man sich ja nicht immer über alles Gedanken machen, und auch nicht alles so schwer nehmen müsse, hält die breite Masse sich mit Ideen zum Umgang mit diesen Zweifeln - sagen wir mal - bedeckt.

Viele kennen sicher diese Gespräche, in denen man wirklich gut gemeinte Ratschläge bekommt, diese aber ungefähr so praxisnah sind, wie ruhige Nächte mit einem Neugeborenen. Klingt toll, ist aber in der Regel nicht "mitten aus dem Alltag" gegriffen. Und genau da wird die Sache zum Problem. Indem wir unserem Gegenüber vermitteln, wie scheinbar leicht und fluffig seine Probleme zu lösen sind, suggerieren wir ihm gleichzeitig "das kann übrigens jeder - wenn es bei Dir anders ist, dann stimmt wohl etwas mit Dir nicht".

In genau der Sekunde, in der unser beratendes Gegenüber - sofern es auch nur mit einer Prise emotionaler Intelligenz gesegnet ist - merkt, dass dieser gut gemeinte Rat eher nach hinten los geht, verlässt es gern unter einem Vorwand das Gespräch. Zurück bleibt ein nicht länger nur durch den eigenen Misserfolg geknickter, sondern nun auch noch darin bewerteter, Zusehens kleiner werdender Mensch.


Kann mir irgendwer sagen, bin ich so geboren? Oder über die Jahre erst so geworden? Dass ich vermute, wenn ich runterkomm, wär´s nur die Ruhe vor dem Sturm. Madeline Juno & Max Giesinger - Nur kurz glücklich

Und genau dieser Mensch hat diese Erfahrung nicht zum ersten Mal gemacht. Eventuell begleiten ihn vergleichbare Urteile und Gefühle schon sein Leben lang. Es gibt unzählige Artikel über die Spätfolgen von Erziehung, die Auswirkung unserer Kindheit auf unsere Psyche und kilometerlange Listen über Fehler, die Eltern / Lehrer / Freunde oder Partner im Umgang mit uns unterlaufen sind.

Was all diese Ausarbeitungen gemein haben, und warum sie uns heute, im hier und jetzt nicht weiterbringen? Weil sie in der Vergangenheit liegen. Sie sind passiert. Und ganz gleich wie dick unsere Narbe aus diesen Erlebnissen auch sein mag, wir werden die Vergangenheit nicht ändern können, ganz gleich wie oft wir uns an ihr aufreiben. Aufarbeitung und Heilung ist etwas grundlegend Gutes, aber nur dann, wenn wir daraus auch positiv herausgehen. Wenn wir diese Texte einzig zum Klären einer Schuldfrage, oder zur Bestätigung unserer Traumata nutzen, so manifestieren sie kein Wachstum.


Aber was, wenn die Wahrheit ist, dass Du nur kurz glücklich bist? Madeline Juno & Max Giesinger - Nur kurz glücklich

Wir gewöhnen uns daran, dass das Glück grundsätzlich bei den anderen wohnt, und geben uns den Zweifeln geschlagen. Erreichen wir ein Ziel nicht, so "trösten" wir uns mit der Vorhersehbarkeit dieses Ausgangs. "Rechne immer mit dem Schlimmsten, dann kannst Du nicht enttäuscht werden" - mit Sätzen wie diesem setzen wir uns selbst bereits vor dem ersten Versuch Schachmatt. Gehen wir mit diesem Vorsatz an etwas heran, hüllen wir uns ganz eng in den kratzigen Wollpulli der negativen Selbstmanipulation. Können wir mittlerweile mit Misserfolgen umgehen, weil wir es gewohnt sind? - ganz sicher. Aber kennt jemand auch nur einen glücklichen Ausgang derartig selbst-erfüllender Prophezeiungen? - wohl eher nicht.


Was, außer einer positiven Überraschung, kann uns denn passieren?

Und genau deswegen müssen wir, klitschnass und mitten im Tiefdruckgebiet, manchmal eine Entscheidung treffen. Möchten wir so weitermachen wie bisher, und finden uns mit dem kleinen Glück ab, oder verlassen wir mutig die gewohnten Pfade, und manipulieren unsere Selbstmanipulation zu einem größeren Glück?

Es liegt an uns. An Dir und an mir. Und an der Frau Gegenüber.

Entscheiden wir uns doch heute mal anders, glauben an uns, und lassen diesen kratzigen Wollpulli im Schrank.

Was, außer einer positiven Überraschung, kann uns denn passieren?

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